Mit dem Thermographen unterwegs

Zwei Schornsteinfegermeister bei einem etwas „anderen“ Einsatz:

Wolljacke und Anorak statt „schwarzer Mann“: die Bezirkschornsteinfegermeister Andreas Ehlert (Düsseldorf) und Karl Creischer (Mönchengladbach) sind beide auch geprüfte Gebäudeenergieberater (HWK). Handwerkskammer aktuell begleitete sie bei thermografischen Messungen in „Räuberzivil" in der Landeshauptstadt.

Zwei Gebäudediagnostiker
Die Gebäudediagnostiker Andreas Ehlert (l.) und Karl Creischer. Foto: Meyer

Hintergrund: die Energiepreis-Explosion der zurückliegenden Monate und die ab 1. Juli geltende Pflicht, die energetische Situation von Wohnhausern zu dokumentieren, sorgen für zusätzlichen Terminanprall. Immer stärker nachgefragt ist die umfassende analytische Kompetenz des Gebäudediagnostikers, der den energetischen Zustand des Gesamtgebäudes zu bewerten und geeignete Sanierungsmaßnahmen zu skizzieren vermag.

Die Branche mit der Lizenz fürs Messen und Prüfen von Feuerungsanlagen hat sich frühzeitig und flächendeckend auf die Marktsituation eingestellt: „Alle Schornsteinfegermeister im Regierungsbezirkhaben den zehnmonatigen Lehrgang zum Gehäudeenergieberater absolviert", betont lnnungsobermeister Ehlert. Ähnlich eindrucksvoll übrigens die Kundenorientierung im SHK-Handwerk, wo landesweit bereits mehr als 600 Fach- und Führungskräfte den Fernlehrgang zum Energieberater SHK durchlaufen haben. Und auch in den übrigen gebäudenahen Branchen – dem Maler- und Lackiererhandwerk, den Tischlern und im Baugewerbe – die ebenfalls eine dreistellige Zahl an geprüften Gebäudeenergie-Experten aufweisen. Eine wachsende Zahl an Energieberatern hat sich in gesonderten Lehrgängen im Übrigen im Umgang mit der Wärmebildkamera oder in Undichtigkeitsmessungen in Innenräumen nach dem BlowerDoor-Prinzip qualifiziert.

Einsatzort der beiden Prüftechnik-Profis ist diesmal der Düsseldorfer Süden: ein Mehrfamilienhaus aus der Gründerzeit mit Hinterhaus, teilweise gewerblich genutzt. Ehlert und Creischer machen sich zusammen mit dem Eigentümer ein erstes Bild: Ausrichtung des Gebäudes, optisch er-kennbare Schwachstellen, etwa notdürftig abgedichtete Öffnungen. „Gerade im Altbaubestand ist die energetische Situation oft besonders ungünstig. Hohe Räume, übergroße Lufteinlässe für den Heizungsraurn, Risse in der Gebäudehaut, mangelhafter Dämmzustand“, berichtet Karl Creischer, der als geprüfter Thermograf die Wärmeverluste des Gebäudes bildlich erfassen und bewerten wird. Seine Spezialkamera mischt Real- und Infrarotaufnahmen. Dunkelblau verfärbt präsentieren sich zwei Rechtecke an einer Rückwand zum Zwischenhof, die einen einst durchgehenden Gebäudetrakt zum Hinterhaus abschließt. „In den fünfziger fahren nachträglich zugemauerte Türen. Teilweise nur halbe Ziegel“, stellt der Eigentümer fest. Ehlert, dem der Part einer aufschließenden Gebäudeenergieberatung zukommt, empfiehlt die Nachdämmung der gesamten Wandseite mit einem Warmedämmverbundsystem (WDVS).

An der Vorderfront des Haupthauses überwiegen die Gelb- und Rottöne: „Siebzig Zentimeter dicke Ziegelmauern“, konstatiert Andreas Ehlert anerkennend. 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr weist die Verbrauchsmessung aus – „ein durchschnittlicher Wert – für einen Altbau sogar ordentlich“, stellt der Berater fest. In zirka eineinhalb Stunden sind die 1.000 Quadratmeter Nutzfläche der Immobilie abgeschritten, alle Außenwände und Winkel erfasst, mehr als 100 thermografische Aufnahmen im Kasten. Die Bilanz ist für den Hauseigner einigermaßen beruhigend: „Die Grundsubstanz des Gebäudes ist gut“, lautet Ehlerts Fazit. Die vor Jahrzehnten vorgenommene Abhängung der teilweise vier Meter hohen Decken erfüllt ihren Zweck auch heute noch; die Thermopanefenster sind hochwertig.

Im Hinterhaus hat die Anhebung des Dachbodens zu einer Volletage sich nicht als die befürchtete Wärmeschleuder erwiesen: eine fachgerecht durchgeführte Einhausung des alten Eternitdachs vor zwanzig Jahren sorgt nach wie vor für befriedigenden Wärmeschutz, ein dreißig Zentimeter breiter Streifen unterhalb der Firstlinie bedarf der Nachdämmung.

Dennoch bleibt manches zu tun, um potenziellen künftigen Mietern und Pächtern des Gebäudekomplexes einen modernen energetischen Standard anzeigen zu können: neben der Nachverkleidung einer Fassade vor allem bei der Haustechnik. Die 19 Jahre alte Gasheizung auf Gasbrennwertfeuerstatte umzustellen, legt Ehlert dem Hausbesitzer ans Herz: „Das bringt einen Einspareffekt von 25 Prozent. Und die Investition hat sich schon bald – nach zirka acht Jahren – amortisiert.“ Fördermittel aus dem Gehäudesanierungsprogramm des Bundes helfen bei der Finanzierung. Per KfW-Förderkredit lasse sich der Aufwand für energetische Maßnahmen erheblich senken, empfiehlt Ehlert.

Die Kosten einer thermografischen Gebäudeuntersuchung. liegen übrigens bei rund 250 Euro, das Fachhandwerk bietet den verbrauchsbezogenen Gebäudeenergieausweis für unter 100 Euro, den umfassenderen bedarfsbezogenen Ausweis für circa 300 Euro an.

Die Energieberatung in dem mischgenutzten Gebäude machte auch ein grundsätzliches Problem anschaulich: „Das Fachhandwerk ist in die energetische Beurteilung von Gewerbebauten nicht einbezogen. Das ist nicht nur fachlich kaum zu rechtfertigen, es macht auch gerade in Gebieten mit Mischbebauung, wie sie für lnnerortslagen typisch sind, wenig Sinn. Der Gesetzgeber sollte hier nachbessern“, betont Andreas Ehlert.

aus: Deutsches Handwerksblatt vom 06.03.2008

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