"Handwerk übersteht Zumutungen“
Kammerpräsident Professor Wolfgang Schulhoff beim Innungsfest der Düsseldorfer Schornsteinfeger:
Von Alexander Konrad
Düsseldorf - Von diesem Eindruck kann sich auch der unbeteiligtste Beobachter nicht freimachen: in einer Versammlung der Schornsteinfeger ist das Handwerk bei sich zu Hause.

Der frisch gebackene Berufsnachwuchs - mit einer stolzen Bundessiegerin im Praktischen Leistungswettbewerb der Handwerksjugend namens Tordis Baum an der Spitze -, eine lange Riege an Ehrengästen und die zahlreichen Partner von Innung und Mitgliedsbetrieben aus Industrie, Handel und Institutionen: sie alle werden bei der festlichen Innungsversammlung der Düsseldorfer Schornsteinfeger in einer Manier wahrgenommen und gewertschätzt, die ihresgleichen sucht.
Die Schornsteinfeger-Innung für den Regierungsbezirk Düsseldorf pflegt mit ihrem jährlichen Veranstaltungs-Flaggschiff in der Düsseldorfer Stadthalle eine vorbildliche Organisationskultur, die gesellschaftlichen Rückhalt und politischen Konsens erzeugt.
Der besonderen Geschlossenheit der populären Umweltschutzhandwerker kann sich die Politik schließlich nicht entziehen. So hielt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ronald Pofalla seine erste politische Ansprache in neuer Funktion beim Schornsteinfegerhandwerk.
Der Festredner aus dem nieder-rheinischen Weeze räumte ein, die Größe der Branche mit ihren 25000 Beschäftigten bislang unterschätzt zu haben, nicht aber deren Bedeutung als Speerspitze der Modernisierer in der mittelständischen Wirtschaft. Pofalla zeichnete ein dramatisches Bild von der Lage der öffentlichen Haushalte. Die Kosten für den Sozialstaat machten mittlerweile 33 Prozent des Gesamthaushaltes aus. "Es geht nicht ohne Einschnitte in Leistungsgesetze“, forderte der Wirtschaftspolitiker, der außerdem Initiativen seiner Fraktion zum Abbau bürokratischer Betriebsbelastungen und für ein Arbeitsrechtsbuch ankündigte. Unter Beifall der mehr als 600 Teilnehmer sagte Pofalla die Unterstützung seiner Partei für das Reformkonzept des Bundesverbands der Schornsteinfeger zu.
Dieses sieht eine zeitliche Befristung der Vergabe von Kehrbezirken auf zehn Jahre mit anschließender Neuausschreibung und eine Intensivierung der Weiterbildung für die Berufsangehörigen vor. Ansonsten verwahrt sich der Bundesverband mit diesem Konzept gegen jedwede Absenkung der derzeit gültigen Sicherheitsstandards.
"Die deutsche Regelung verstößt nicht gegen geltendes Europarecht“, fassten Obermeister Andreas Ehlert und Bundesinnungsmeister Hans-Günter Beyerstedt das Ergebnis der Berichte zweier unabhängiger Gutachter zur Wettbewerbskonformität des deutschen Schornsteinfegergesetzes zusammen. Denn: die Aufgabe der Überwachung der Feuerstätten gehöre in den Bereich der (einzel)staatlichen Daseinsvorsorge. Die Missstände in Nachbarländern wie Belgien und Frankreich seien Mahnung und nicht Massstab einer Neuregelung, ergänzte Landesinnungsmeister Hans-Günter Nellen. Die deutschen umwelt- und brandschutztechnischen Standards kämen den Verbraucher zudem kostengünstiger, wie der Vergleich mit der Schweiz zeige. In Kantonen mit neuerdings freier Wahl des Kaminkehrers seien die Preise um rund 20 Prozent gestiegen.
Vor dem Hintergrund der überzeugenden Argumente des Berufsstandes konnte Kammerpräsident Schulhoff in seiner Grußansprache Zuversicht bekunden, "dass das Handwerk übersteht, was die Politik uns hier zumutet.“ Das Schornsteinfegerhandwerk stehe im besten Sinne für die kulturelle Vielfalt Deutschlands. Schulhoff wies die Kanzler-Schelte, Kritiker des Regierungskurses verhielten sich "unpatriotisch“, unter großem Applaus energisch zurück: "Bin ich denn kein Patriot, wenn ich die schlimmste Finanz- und Strukturkrise dieser Republik in der Nachkriegszeit anprangere? Wer soll dies tun, wenn nicht wir Unternehmer und Handwerker?“ Dem Schornsteinfeger-Nachwuchs im Saal sprach Schulhoff Mut zur Karriere mit Lehre und Weiterbildung zu.
Mit der traditionellen Freisprechungsformel entband Andreas Ehlert die 22 erfolgreichen Gesellenprüflinge von ihren Lehrlingspflichten, bevor Lehrlingswart Rainer Haltermann die Best-Leistungen der Zwillinge Tordis und Sandra Baum auf offener Bühne gesondert würdigte. Die Festveranstaltung schloss mit dem Dank der umjubelten "besten Schornsteinfegerin Deutschlands“ (so das WDR-Magazin "Aktuelle Stunde“) an Ausbilder, Lehrer und Innung. Tordis Baum konnte wegen ihrer Spitzenleistungen die Lehre von drei auf zwei Jahre verkürzen. Jetzt klettert sie bereits über die Dächer und hat sich auch schon zur Meisterprüfung angemeldet.
aus: Deutsches Handwerksblatt vom 23.12.2004
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